Zum Hauptinhalt springen

Buchrezension

Die vergessene Hälfte

Die vergessene Hälfte

Käthe Leipold

Kadmos Verlag, Berlin 2023, ISBN 978 3 86598 531 5, Broschur, 23 x 18,5 x 1,5 cm, reich illustriert, 141 Seiten, 18,90 €

Friedrich Schiller hat im Gedicht gemahnt: Achtet die Frauen, sie flechten und weben himmlische Rosen ins irdische Leben. Er hatte wohl seinen Grund! Zu berühmten Männern ist viel bekannt, weniger über deren Ehefrauen. Die sehr kreative Buchautorin Käthe Leipold, vom Ausgang her freiberufliche Illustratorin, stellt in einer sporadischen Auswahl fünf Frauen prominenter Männer der Kultur- und Geistesgeschichte in Text und Bild vor, in einer Art graphic novel. Faktisch hält sie sich an die zahlreichen nachlesbaren Vorgaben aus Quellen der wissenschaftlichen Literatur und des Internets. In den Blick genommen werden die Frauen des J. S. Bach, des W. A. Mozart, des Ch. Chaplin, des A. Einstein und des Kurprinzen Georg Ludwig vom Hannoverschen Hof.

Anna Magdalena Bach (1701 – 1759) heiratete 1721 den 16 Jahre älteren Witwer J. S. Bach mit seinen vier Kindern. Sie gab ihren Beruf als Sängerin am Köthener Hof auf und widmete ihr künftiges Leben der Haushaltsführung des großen Meisters, bekam dreizehn Kinder von ihm, von denen sie sieben frühzeitig zu Grabe trug. Sie wurde zu einem lebenden Opfer des Ruhmes ihres genialen Gatten. Auch an der Organisation seiner Musik war sie beteiligt. Frau Bach erbte aus dem Nachlass Ihres Mannes lediglich acht Klaviere, die sie zu Geld machen musste, das sie neben einer kleinen Rente der Stadt Leipzig dringend für den Lebensunterhalt ihrer Familie brauchte. Es wurden prekäre Witwenjahre.

Konstanze Mozart (1762 – 1842) wurde von der Wiener Gesellschaft recht übel beleumundet. Sie galt als triebhafte und leichtlebige Person. Aber „Stanzi Marini“, wie Ihr Wolfgang sie nannte, unterstützte den kleinen, blassen und pockennarbigen Komponisten, wo sie konnte, u. a. auf Reisen. Dabei galt er als Spieler mit „Weibergschichten“. Von ihren sechs Kindern überlebten nur zwei die ersten Wochen. Vom Herrn des Hauses wurde sie im Briefverkehr als liebstes Weibchen bezeichnet. Er nahm sie durch seinen frühen Tode im prominenten Namen in die Ewigkeit mit, „wie der Bernstein die Fliege“. Vorher aber kümmerte sie sich um Ordnung, Erhaltung und Verkauf des umfangreichen musikalischen Erbes. Sie wurde achtzig Jahre alt! Eine Rose trägt noch heute ihren Namen. Eine himmlische vielleicht?

Lita Gray Chaplin (1908 – 1995) spielt schon als Kind in Charlies Filmen kleine Rollen. Er verführt die nicht aufgeklärte Fünfzehnjährige und heiratet die geschwängerte gebürtige Hollywooderin in zweiter Ehe aus Furcht vor einer Anklage wegen Missbrauchs Minderjähriger. Nach Ihrer Scheidung folgt der soziale Abstieg Litas, u. a. in den Alkohol. Sie heiratet noch mehrfach, kommt aber letztlich nicht von ihrem berühmten Charlie los.

Milva Einstein-Maric´ (1875 – 1948), Tochter eines serbischen Bauern, war eine brillante Schülerin. Sie absolvierte ihre Matura in der Schweiz. 1886 begann sie in der heutigen ETH Zürich das Studium der Physik und Mathematik. Frauen hatten es in dieser Männerdomäne schwer. Sie gehörten nach Ansicht des zeitgenössischen Umfeldes nicht an die Hochschule. Dort lernte sie Albert Einstein kennen. Sie freundeten sich an und verliebten sich. Trotz des Unmuts der Eltern heirateten sie, zumal Milva schwanger war. Ihre fruchtbare wissenschaftliche Zusammenarbeit brachte dem Ehemann Ansehen und Erfolg. Die Ehe aber wurde kälter. Albert ging fremd und drangsalierte sie zunehmend. Aus dem „süßen Herzerl“ wurde eine „lebendige Plage“. Das Urteil über sie äußert er mit gespaltener Zunge, die allerdings auf dem bekannten Fotoporträt so nicht wahrzunehmen ist. Mit Geldsorgen und den Kindern geht die hochbegabte Physikerin nach Zürich zurück, wo sie 1948 verstirbt.

Sophie Dorothea zu Lüneburg (1666 – 1726). Im letzten Kapitel geht es um die anfangs illegitime Tochter des Herzogs Georg Willhelm, Fürst zu Lüneburg. Was im europäischen Adel seinerzeit los war, erfährt man hier. Es geht um Liebe, Heirat, Intrigen, Mätressen, Mord und Verbannung in die trostlose Einsamkeit der Heide. Sie hätte Königin von England werden können, endete aber in der Isolation als Prinzessin im Landschloss Ahlden. Nach ihrem Ableben schafft sie es noch heimlich standesgemäß in die Fürstengruft in Celle.

Der faktische Inhalt des Buches wird von Käthe Leipold in Text und Bild zu einer Art Kunstwerk geformt. Die von der Autorin beschriebenen und grafisch zum Leben erweckten Persönlichkeiten dürften das Lesepublikum über die Grenzen der nüchternen Tatsachen hinaus faszinieren, ein kurzweiliger Literaturgenuss allemal, für Frauen und Männer!


F.T.A. Erle, Magdeburg (Februar 2025)